Philosophische Sommerakademie Bad Boll
Donnerstag, 8. – Sonntag, 11. September 2016
Hannah Arendt
Arbeit, Technik und soziales Handeln – Das Leben als Gestaltungsauftrag
Dozentin: Prof. Dr. Regine Kather, Freiburg
Wurde der Mensch seit dem 19. Jh. wesentlich über die Arbeit bestimmt, so hat sich in den letzten Jahren die Vorstellung des ‚homo oeconomicus‘, dessen Ziel die Maximierung von Gewinn und die Befriedigung seiner Wünsche ist, durchgesetzt. Obwohl Arendt diese Entwicklung nur in Ansätzen vorhergesehen hat, erweist sich ihre Kritik an der Einseitigkeit einzelner Lebensformen nach wie vor als hoch aktuell: Arbeit wie Ökonomie dienen der Befriedigung von relativ kurzlebigen Bedürfnissen, die ständig neuer Anreize bedürfen. Die Arbeit, so die These von Arendt, fesselt die Menschen an den sich ständig erweiternden Kreislauf von Produktion und Konsum und an immer kurzlebigere Jobs, die immer weniger Erfüllung bieten. Auch die Technik, die gerade durch die digitale Revolution Arbeits- wie Privatleben tiefgreifend verändert, bietet keinen Ausweg, da auch die technische Entwicklung einer bislang unbekannten Beschleunigung unterworfen ist. Dadurch droht auch sie die stabilisierende Funktion zu verlieren, die ihr Arendt noch zuwies. Mehr noch als in den 1960ger Jahren fehlt daher Arbeit und Technik eine entscheidende Dimension, die weder eine Revolution des Arbeitslebens noch eine Reduktion der Technik erzeugen kann: der Raum, in dem Menschen sich von Angesicht zu Angesicht begegnen. Nur so gewinnen sie die Freiheit, selbständig und spontan zu handeln und ungeachtet der Last der Vergangenheit einen Neubeginn zu wagen.
In ihrer Auseinandersetzung mit dem Problem des Bösen, das gerade in seiner ‚Banalität‘, die durch Eichmann verkörpert wurde, furchtbare Gräueltaten ermöglichte, plädiert Arendt nicht nur für den Dialog mit anderen, sondern auch mit sich selbst. Nur wer sich selbst in die Augen schauen kann, so erläutert sie im Anschluss an Sokrates, kann auch anderen in die Augen schauen. Damit nimmt Arendt etwas vorweg, was in den Wahrheitskommissionen in Südafrika und an anderen Orten Wirklichkeit wurde und die Grundlage für die Überwindung von Vergeltung, Rache und Krieg ist.
Die Analyse der Lebensformen, die Arendt insbesondere in ihrem Werk ‚Vita activa oder vom tätigen Leben‘ und in der Vorlesung über ‚Das Böse‘ entwickelt, bildet im Seminar den Hintergrund für die Diskussion der Frage, wie die Einseitigkeiten moderner Gesellschaften, deren Analyse Arendt etliche weniger bekannte Aufsätze gewidmet hat, überwunden werden können und wie Menschen den Mut und die Kraft zur Auseinandersetzung mit dem finden können, was sie mit sich und mit anderen entzweit. In diesem Sinne beinhaltet ihr Werk wichtige Impulse für die Lösung aktueller Konflikte, die uns Im Moment weltweit in Atem halten.
Literatur:
H.Arendt: Vita activa – oder vom tätigen Leben, München/ Zürich 1989.
H.Arendt: Das Böse, München/Zürich 2914
Die Dozentin:
Prof. Dr. Regine Kather (*1955) studierte Philosophie, Physik und Religionswissenschaften und promovierte (1989) und habilitierte (1997) in Philosophie an der Universität Freiburg i. Br., wo sie seit 2004 als Professorin tätig ist. Seit 1985 lehrt sie außerdem in der Erwachsenenbildung insb. an der PH Freiburg und hat zahlreiche Essays für Kultur- und Wissenschaftsredaktionen des Rundfunks geschrieben. Von 1996-2006 war sie regelmäßig als Gastprofessorin an den Universitäten Bukarest und Klausenburg in Rumänien. Ihr jüngstes Buch mit dem Titel: Die Wiederentdeckung der Natur. Naturphilosophie im Zeichen der ökologischen Krise‘ ist im Januar 2012 bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschienen. Weitere Publikationen finden sich unter: www.regine-kather.de oder über die Homepage der Universität Freiburg.
Seminarzeiten:
1. Tag: 16.00 Begrüßung und Einführung
2. und 3. Tag: 09.30 – 10.30/11.00 – 12.00 Uhr und 16.00 – 18.00 Uhr
4. Tag: 09.30 – 10.30/11.00 – 12.00 Uhr
1. bis 3. Tag: 20.00 – 21.30 Uhr Abendprogramm
Bild
Symposion mit Terrasse
(© Evangelische Akademie, Giacinto Carlucci)
Anmeldung:
Ev. Akademie Bad Boll
A. Titzmann
73087 Bad Boll
Akademieweg 11
Telefon: 07164-79307
www.ev-akademie-boll.de/tagung/531116.html
andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de