„Sprechen ist ein ungeheurer Kompromiss“ (Hofmannsthal)
Zwischen Habsburg und neuer Zeit:
Der späte Hugo von Hofmannsthal und sein literarischer Wiedergänger Walter Kappacher
Dr. Tim Lörke, Berlin
Traum und Leben, Geist und Macht, der Einzelne und die Welt: Schon die Gedichte und lyrischen Dramen, mit denen der junge Hugo von Hofmannsthal berühmt wird, kreisen um diese Themen. Doch findet der junge Hofmannsthal noch keine Lösungen, keine Wege aus den Aporien des Frühwerks. Als Lyriker verstummt er in der Folge völlig. Umso mehr gewinnt das Drama, etwa die großen Libretti für Richard Strauss, an Bedeutung für den Dichter. In den Mittelpunkt seines Schaffens rückt die Frage danach, wie das Ich und die Gemeinschaft zueinander finden können.
Der 1. Weltkrieg und der Zusammenbruch des Habsburger Reichs erhöhen den Einsatz. Inmitten der Trümmer der alten, von Hofmannsthal unendlich geliebten Welt gilt es, sich der neuen Zeit zu stellen und sie vielleicht sogar zu gestalten. Und tatsächlich gelingt Hofmannsthal der Durchbruch zu einer neuen Existenzform, auch als Dichter. 1921 erscheint die Komödie Der Schwierige, die das Hohelied der Ehe singt als Möglichkeit, obsolete politische und soziale Ordnungen zu überwinden. Der Schwierige gilt als eine der schönsten Komödien deutscher Sprache und ist sicherlich eine der ergreifendsten Liebesgeschichten. Vier Jahre später erscheint Hofmannsthals Trauerspiel Der Turm: eine politische Parabel im Gewand von Legende und Sage.
Hofmannsthal war zeitlebens feinfühlig, nervös und voller Skrupel. Das Schreiben ging ihm nicht leicht von der Hand. Hinzu kam stets die Sorge um sein eigenes Talent und seine Bedeutung als Dichter, nachdem der frühe Ruhm als Lyriker verblasst war. Walter Kappacher hat 2009 einen Roman vorgelegt, der uns Hofmannsthal im Jahr 1924, also inmitten der Arbeit am Turm, präsentiert. Der Fliegenpalast folgt dem alternden Dichter an einen Kindheitsort und erzählt von den Erinnerungen und Zukunftsängsten des späten Hofmannsthal.
Das Seminar liest die beiden Dramen Hofmannsthals und Kappachers Roman. Gerade die Lektüre von Hofmannsthal selbst und der fiktionalen Deutung durch Kappacher rückt den Schriftsteller nah an uns heran und gewährt uns intime Einblicke in einen suchenden Menschen, dessen altes Europa für immer verschwunden ist. Durch die Verknüpfung der 1920er Jahre mit einem zeitgenössischen Roman wird deutlich, wie viel Hofmannsthals Erinnerungen und Sehnsüchte mit den Menschen von heute gemeinsam haben.
Textgrundlage:
Zur Anschaffung empfohlen: Hofmannsthals Dramen sind in hervorragend kommentierten Ausgaben bei Reclam greifbar. Natürlich kann man auch auf andere Ausgaben zurückgreifen. Bitte beachten Sie aber: Wir lesen die erste Fassung von Der Turm (1924/1925), die zweite weicht erheblich ab. Die Reclam-Ausgabe bietet den richtigen Text.
Hugo von Hofmannsthal: Der Schwierige. Hg. von Ursula Renner. Stuttgart: Reclam 2000. RUB 18040.
Hugo von Hofmannsthal: Der Turm. Hg. von Werner Bellmann. Stuttgart: Reclam 2000. RUB 18041.
Walter Kappacher: Der Fliegenpalast. St. Pölten/Salzburg: Residenz 2009. ODER München: DTV 2010.
Der Dozent:
Dr. Tim Lörke, PostDoc an der Friedrich Schlegel Graduiertenschule der Freien Universität Berlin. Studium der Germanistik und Anglistik an den Universitäten Heidelberg und Warwick. 2002-2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Faust-Archiv Knittlingen. 2006-2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg. 2009-2015 wissenschaftlicher Assistent und Lehrbeauftragter am Institut für deutsche und niederländische Philologie der Freien Universität Berlin.
Seminarzeiten:
1. Tag 17.00 – 18.00, 18.15: Abendessen, 19.30 – 21.00
2. und 3. Tag 09.30 – 10.30/11.00 – 12.00 und 16.30 – 18.30
4. Tag 10.00 – 12.00
Bild: Touristik Bad Wildbad; Locher Fotodesign
Anmeldung:
Hotel Bergfrieden
75323 Bad Wildbad
Baetznerstr. 78
Tel: (07081) 17040/ Fax: 170420
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