Philosophisches Lektüreseminar in der Waldhofakademie Freiburg

Freitag, 15. – Sonntag, 17. Juni 2018

Reden heißt eine Rolle spielen –
Hans Blumenberg über das Mängelwesen Mensch und seine rhetorische Absicherung

Ein philosophisches Lektüreseminar in der Waldhof-Akademie Freiburg
Prof. Dr. Gert Ueding, Tübingen

Im Mittelpunkt des Seminars wird Hans Blumenbergs Essay „Anthropologische Annäherung an die Rhetorik“ stehen,
in dem er nach den philosophischen Konsequenzen für den Menschen nach dem Ende der metaphysischen Gewissheiten
fragt. Das Ergebnis ist immer noch überraschend und kaum genug bedacht und läuft auf ein Verständnis von der Aufgabe
der Rhetorik in der modernen Welt hinaus, das den geläufigen Meinungen und Vorurteilen über diese neben der
Philosophie älteste Disziplin im europäischen Bildungswesen widerspricht und ihr eine ganz neue, für Individuum
und Gesellschaft gleichermaßen bedeutende Funktion zuweist.

Blumenberg geht aus von dem anthropologischen Grundsatz des Menschen als eines sich selbst helfenden Mängelwesen. Sein Mangel ist doppelter Natur: es fehlt ihm an Wahrheit, d.h. an Evidenz, was jahrhundertelang durch eine Philosophie der absoluten Werte, Ideen und durch den von Sokrates gestifteten Glauben an eine Evidenz des Guten verdeckt wurde. Diese metaphysischen Gewissheiten gehören der vergangenen Philosophie an und sind nicht mehr zu retten. Der andere Mangel ist die fehlende Instinktausstattung des Menschen, das heißt er besitzt keine „vorgegebenen, präparierten Einpassungsstrukturen und Regulationen für einen Zusammenhang, der Kosmos zu heißen verdiente…“ Dass er dennoch nicht verloren ist, verdankt er einer Fähigkeit, in der er einzig ist: der Sprache, sie wird ihm in der Rhetorik zum Mittel, seine Mängel auszugleichen. Von der Evidenz und von festen Einpassungsstrukturen verlassen, wäre trotz allen Handlungszwanges ohne die Rhetorik menschliche Handlung nicht möglich – denn wonach könnte diese sich noch richten? Die Rhetorik wird dabei auf doppelte Weise wirksam: sie gibt der Handlung theoretische Orientierung, indem sie an die Stelle der Wahrheit (die nicht erreicht werden kann) das Wahrscheinliche und Glaubhafte setzt, das in Argumentation und Debatte gefunden und in ihnen dauernder Bewährung ausgesetzt ist. („Alles, was diesseits der Evidenz übrig bleibt,ist Rhetorik.“) Doch vielleicht wichtiger noch ist, dass die Rhetorik „die Handlung selbst zu ersetzen vermag.“ Blumenberg erkennt in ihr eine Technik und Methode, die beide in allen Zweigen wesentlich auf Übertragung beruhen: „Physische durch verbale Leistungen zu ersetzen, ist ein anthropologisches Radikal; Rhetorik systematisiert es.“ Im Lichte eines solchen philosophischen Rhetorikverständnisses gewinnt diese von Platon bis Kant abgewertete Disziplin geradezu weltgeschichtlichen Rang und immer aktuelle Bedeutung: „Wenn die Geschichte überhaupt etwas lehrt, so dieses, dass ohne die Fähigkeit, Handlungen zu ersetzen, von der Menschheit nicht mehr viel übrig wäre.“
Im Seminar wird mittels gründlicher Lektüre des Textes diese Philosophie der Rhetorik zu prüfen, mit ihrem Selbstverständnis und landläufigen Ansichten zu vergleichen sein und in ihren politischen und bildungstheoretischen Konsequenzen zu diskutieren sein.

Textgrundlage:
Wir werden den ganzen Essay gemeinsam lesen, interpretieren und diskutieren.
(In H.B.: Wirklichkeiten, in denen wir leben, Reclam Nr. 7715(2))

Der Dozent:
Der Referent war Ordinarius für Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen.
Er ist Autor zahlreicher Bücher und Herausgeber des 12-bändigen „Historischen Wörterbuchs der Rhetorik“.

Seminarzeiten:
Fr: 16.00 – 18.00 und 20.00 – 21.30,
Sa: 09.30 – 10.30 und 11.00 – 12.00 und 16.00 – 18.00
So: 09.30 – 10.30 und 11.00 – 12.00

Kursgebühr: 140.-  €

Anmeldung:
Waldhof e.V.- Akademie für Weiterbildung
Im Waldhof 16
D-79117 Freiburg-Littenweiler
Tel.: +49 (0)761 – 67134
Fax: +49 (0)761 – 66584
www.waldhof-freiburg.de

In Zusammenarbeit mit:
Annegret Wolfram, 0711-2367813, www.literaturferien.de

Waldhof e.V.- Akademie für Weiterbildung