Lektüreseminar in der Waldhofakademie Freiburg

Europa, Du Schöne!

Wir möchten Sie einladen zu einem literarischen Spaziergang durch die Länder der Europäischen Union.

Jedes Jahr ein neues Land,

jedes Jahr eine neue Entdeckung.

Do. 27. – So. 30. August 2026

Mitten in Europa: Slowenien


mit Prof. Dr. H.-R. Brittnacher, Berlin

‚Südlich von Österreich liegt Slowenien, eine der kleineren Republiken (2,1 Mio Einwohner), die aus dem Verband südslawischer Länder (Jugoslawien) hervorgegangen ist. 1991 erklärte das Land nach einer Volksabstimmung seine Unabhängigkeit, die es nach einem kurzen, nur 10 Tage währenden Krieg auch erreichte. 2004 trat Slowenien der NATO bei, im selben Jahr der EU und ist schließlich auch Mitglieds des Schengener Abkommens geworden.

Der relativ kurze Krieg erklärt auch, warum die jugoslawische Vergangenheit und die Rivalität mit den anderen südslawischen Völkern in der zeitgenössischen slowenischen Literatur nur eine geringe Rolle spielen – die Bürgerkriege („Bruderkriege“ nennt sie Peter Handke) zwischen Kroatien, Serbien und Bosnien-Herzegowina wurden mit grausamer Heftigkeit und ‚ethnischen Säuberungen“ geführt und haben die Saat für Groll und Vergeltungslust gelegt, die heute noch die jeweilige Nationalliteratur vergiftet.
Zwar ist auch in Slowenien der erinnerungskulturelle Diskurs präsent, aber richtet sich eher gegen Deutschland (und Österreich) im Zweiten Weltkrieg als gegen die jugoslawischen Ethnien. Insgesamt überwiegt in der literarischen Gegenwart eine als „Transition“ bezeichnete Gemengelage, eine Übergangsphase nach der Ablösung von Jugoslawien und der sich etablierenden neoliberalen Wirtschaftsordnung, in dem die junge slowenische Literatur eine eigene Stimme zu finden sucht. Das erklärt die lange währende Dominanz der ‚kleinen‘, ‚schnellen‘ und für Experimente geeigneten Gattungen Kurzprosa, Gedicht und Essays in der zeitgenössischen slowenischen Literatur (der meinungsstarke und streitlustige Slavoj Žižek ist Slowene!). Mittlerweile aber hat sich auch der Roman einen Platz im Ensemble der literarischen Gattungen erobert, wenn auch die Verlage – die bei der geringen Einwohnerzahl mit noch weniger Lesern rechnen und praktisch ohne jede staatliche Förderung arbeiten müssen – anspruchsvolle Romane mit einer Startauflage von maximal 500 Exemplaren auf den Markt bringen. Dennoch hat sich mittlerweile eine höchst lebendige und vielfältige literarische Szene etabliert, in der sich Familien- und Geschichtsromane, Dorfgeschichten, coming of age- Erzählungen mit Liebesthematik und Generationenkonflikt finden, aber auch politisch ambitionierte Texte mit anarchischem Trotz gegen die Obrigkeit – dem (auch ins Deutsche übertragenen) Autor Goran Vojnovic drohte zeitweilig eine Strafanzeige des stellvertretenden slowenischen Polizeipräsidenten. Zur literarischen Vielfalt gehören auch Experimente mit Phantastischem und Grotesken und eine aktive LGBTQ-Szene.
2023 war Slowenien Gastland der Frankfurter Buchmesse.

Wir werden uns mit dieser so erfreulich vitalen und vielseitigen neuen europäischen Literatur vor allem am Beispiel von Maja Haderlaps Roman Der Engel des Vergessens und einigen Erzählungen in der der von Tomo Vork herausgegebenen Anthologie slowenischer Kurzprosa (Die Zeit der kurzen Geschichte) beschäftigen, einige Gedichte, Erzählungen und Essays werden zusätzlich als Reader zur Verfügung gestellt. Der Roman von Maja Haderlap, der im Zentrum unserer Lektüre stehen wird, ist das Werk einer österreichischen Autorin über ihre slowenische Familie, ein bewegender Familienroman vor dem Hintergrund einer grausamen Geschichte. Er empfiehlt sich wegen seiner naturmagischen Beschreibungen der Landschaft, seines Lobs der slowenischen Küche und der Einfühlsamkeit, mit der die Kindheit eines Mädchens in der slowenischen Provinz des Karst beschrieben wird. Er hat die Kritik zu Lobeshymnen angeregt, der Autoren den Bachmann-Preis eingebracht und wird auch uns viel Freude beim Lesen und Diskutieren bescheren.

Literatur:

Maja Haderlap: Engel des Vergessens (Im Original geb. bei Wallstein), als btb TB 12,00 €
Tomo Virk (Hg.): Die Zeit der kurzen Geschichte. Zeitgenössische Erzählungen aus Slowenien.

Geb. Drava-verlag Klagenfurt. 21,00 €

Der Dozent:

Prof. Dr. Hans Richard Brittnacher hat als Professor für Germanistik an der FU Berlin im Rahmen seiner akademischen Außenarbeit viele Länder bereist, ist glühender Europäer und Experte für die Literatur vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Insbesondere interessiert er sich für die Schnittstelle von Literatur und Religion, für die Darstellung von Minderheiten und für populäre Varianten der Literatur (Kriminalroman, Phantastik, etc.)

Seminarzeiten:

1. Tag               Beginn 15.30 mit Kaffee und Kuchen, 16.30 – 18.00
18.00: Abendessen, 19.30-20.30
2. und 3. Tag   09.30-10.30/11.00-12.00 und 16.00-18.00

4. Tag               09.30-10.30/11.00-12.00

 

2025: Kulturhauptstadt Europas                                                                                                                                      

NOVA GORICA UND GORIZIA = ZWEI STÄDTE, VEREINT IN EINEM GRENZENLOSEN KREATIVVIERTEL.

Dass eine der Kulturhauptstädte Europas aus zwei Städten besteht, ist eine Besonderheit, denn es ist die erste europäische Kulturhauptstadt ohne Grenzen. Nova Gorica ist die jüngste Stadt Sloweniens, die historisch und alltäglich eng mit dem auf der italienischen Seite der Grenze gelegenen Gorizia verbunden ist. In der von fruchtbaren Hügeln, Obstgärten und Weinbergen geprägten Landschaft der Brda und des Vipava-Tals, in die aus dem Schoße der Alpen die smaragdgrüne Soča fließt und die nur einen Blick vom geheimnisvollen Karst und vom Meer entfernt liegen, ist nach dem Zweiten Weltkrieg ein Stadt mit einer jugendlichen Identität erwachsen.
Die historische Vergangenheit, die Geschichten, die Menschen, die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Ergebnisse der Kreativität, Verbindung und der Kunst beider Städte, Nova Gorica und Gorizia, werden in Slowenien, Italien, Europa und der Welt durch die Vision und das Programm GO!2025 = BORDERLESS präsentiert.
(www.slovenia.info/de/geschichten/nova-gorica-und-gorizia-die-grenzuberschreitende-kulturhauptstadt-europas-2025)
Dieses Seminar ist Teil einer Reihe von einer Reihe von Seminaren, die sich mit der Gegenwartsliteratur unserer europäischen Nachbarn beschäftigt.
Noch immer ist die Europäische Union ein Projekt der Eliten. Zwar war seit Beginn des Prozesses der europäischen Integration von den Bürgern und der europäischen Öffentlichkeit immer wieder die Rede. Doch einen europäischen Bürgersinn sucht man bisher vergebens. Das wird überdeutlich in Krisenzeiten, die eine über die nationalen Grenzen hinausreichende Solidarität herausfordern.
(http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/europas-zukunft/jutta-limbach-ueber-europas-zukunft-es-gibt-keine-europaeische-identitaet-11868798.html)
Wie soll dieser gemeinsame Bürgersinn entstehen, von dem Jutta Limbach spricht, wenn nicht dadurch, dass wir mehr erfahren über unsere Geschichte und unsere Geschichten.
Womit beschäftigen sich unsere Nachbarn in ihrer Literatur? Was wird dort erzählt? Und wie wird erzählt? Was erfreut die Leser, was ärgert sie, worüber wird gestritten?
Was wissen wir über den „französischen Leser“, das „italienische Verlagswesen“, die „niederländische Erzählfreude“, die „polnischen Intellektuellen“? Gibt es ureigene „tschechische Themen“? Oder kennen wir „griechische Lyrik“?
Gibt es Krimis in Slowenien?
Wir möchten Sie einladen zu einem literarischen Spaziergang durch die Nachbarländer.

 

Anmeldung:
Waldhof e.V.- Akademie für Weiterbildung
Im Waldhof 16
D-79117 Freiburg-Littenweiler
Tel.: +49 (0)761 – 67134
Fax: +49 (0)761 – 66584
www.waldhof-freiburg.de

In Zusammenarbeit mit:
Annegret Wolfram, 0711-2367813, www.literaturferien.de

Waldhof e.V.- Akademie für Weiterbildung