Lektüreseminar in Bad Wildbad

Lektüreseminar in Bad Wildbad

Sonntag, 5. – Donnerstag, 9. November 2023
und
Freitag, 10. – Dienstag, 14. November 2023

Die Gebrechlichkeit der Welt – Kleists Erzählungen

Kleists Erzählungen sind wohl die radikalsten, die sich in der deutschen Literatur um 1800 finden lassen – nicht nur wegen der Grausamkeiten, die hier gelegentlich drastisch geschildert werden und schon Zeitgenossen wie Achim von Arnim und Ludwig Grimm verstört haben, sondern auch wegen ihrer besonderen Modernität: immer wieder streut Kleist Widersprüche in seine Texte ein, den Einsichten der Vernunft und des common sense vertraut er so wenig wie dem Optimismus der Weimarer Klassik – Goethe hat Kleist bekanntlich verabscheut. Die körpersprachlichen Regungen der Figuren Kleists, ihr beständigen Erröten und Erbleichen, widerlegen oft, was sie selbst eben noch behauptet haben: „Kleist dichtet mit den Mitteln der Sprache in Gebärden“, hat Max Kommerell geurteilt. Immer wieder erfahren seine Figuren die „Gebrechlichkeit der Welt“, gegen deren katastrophale Folgen der Verstand machtlos ist. Aber in Traum und Halbschlaf vermittelt sich seinen Figuren eine untrügliche „Sicherheit des Gefühls“, die trotz allem Bestand hat – und seinen Lesern, auch heute noch, den Atem raubt.
Textgrundlage:
Gelesen werden die Erzählungen
– Das Erdbeben in Chili,
– Die Verlobung in St. Domingo,
– Das Bettelweib von Locarno,
– Der Findling,
– Die Marquise von O…
und als Texte, die zwischen Erzählung und Essay oszillieren,
– Das Marionettentheater und
– Die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden.
Als Textgrundlage gilt die Erzählsammlung: Heinrich von Kleist: Im Taumel wunderbar verwirrter Sinne: Sämtliche Erzählungen (insel taschenbuch). Allerdings ohne die Essays.
Sämtliche Texte sind in:
Kleist, Sämtliche Erzählungen und andere Prosa, Hrsg. Walter Müller-Seidel, reclam 8232

Der Dozent:
Prof. Dr. Hans Richard Brittnacher lehrte Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Ästhetik des Phantastischen, die Darstellung von Minderheiten, die Literaturgeschichte der Goethezeit, Literatur und Religion und die Abenteuerliteratur. Wichtige Veröffentlichungen: Ästhetik des Horrors. Gespenster, Vampire, Monster, Teufel und künstliche Menschen in der phantastischen Literatur. Frankfurt/Main 1994; Leben auf der Grenze. Klischee und Faszination des Zigeunerbildes in Literatur und Kunst. Göttingen 2012. Seenöte, Schiffbrüche, feindliche Wasserwelten – Ozeanische Schreibweisen der Gefährdung und des Untergangs, hg. von Hans Richard Brittnacher und Achim Küpper, Göttingen 2018.

Seminarzeiten:
1. Tag 16.00 Begrüßungskaffe, 16.30 – 18.00 Uhr und 19.30-20.30 (18.00: Abendessen)
2. und 4. Tag 09.30-10.30/11.00-12.00 und 16.00-18.00
3. Tag 09.30-10.30/11.00-12.00
5. Tag 09.30-10.30/11.00-12.00

Kursgebühr: 250,– €