9. Literarischer Frühling auf der Reichenau

9. Literarischer Frühling auf der Reichenau

Sonntag 5. – Donnerstg, 9. Mai 2019

Drei Gegenwartsautorinnen variieren ein Thema: Fremdheit, Flucht, Vertreibung

Dr. Tim Lörke, Berlin

Flucht, Vertreibung, Migration – diese Schlagworte bestimmen die derzeitige politische Debatte. Integration wird als Forderung erhoben und als Notwendigkeit kenntlich, um an einem fremden Ort ein neues Leben zu beginnen, das den fremden Ort in Heimat verwandeln soll und aus einem Flüchtling einen Bewohner. Geführt wird diese Debatte in Deutschland aus der Sicht derjenigen, die fremde Menschen in ihr Sozialwesen aufnehmen und damit aus verschiedenen Gründen hadern. Aber wie fühlen sich Menschen, die ihr Zuhause preisgeben müssen, die herausgerissen werden aus ihren Lebenszusammenhängen? Und wie fühlt es sich an, wenn der fremde Ort tatsächlich so etwas wie Heimat geworden ist, aber doch eine fragile Heimat bleibt? Und was ist mit den nachfolgenden Generationen, die einen Migrationshintergrund haben, der sich nicht allein als soziales Stigma erweisen kann, sondern auch als familiäres Trauma?
Das Seminar setzt sich zum Ziel, die Gefühlswelten von Menschen kennenzulernen, deren Leben durch Flucht und Vertreibung geprägt sind: sei es unmittelbar, indem sie die waren, die fliehen mussten; sei es mittelbar, weil ihre Familiengeschichten von Migration geprägt sind. Der Literatur als fiktionaler Erfahrungsraum kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Sie ermöglicht es uns, an Erfahrungen und Emotionen teilzuhaben, die uns vielleicht fremd sind. Drei Romane der deutschen Gegenwartsliteratur, alle von Frauen geschrieben, stehen im Mittelpunkt der gemeinsamen Interpretation:
Shida Bazyars Nachts ist es leise in Teheran spannt den Bogen ihres Familienromans von 1979 bis in die Gegenwart, und zwischen Teheran und der deutschen Provinz entfaltet sich ein Familienschicksal.
Das Trauma der deutschen Vertreibung fasst Dörte Hansen in Altes Land ins Auge und zeigt, wie ein lang zurückliegende Erfahrung die Wahrnehmung der Gegenwart bestimmt.
Einen wieder anderen Zugriff wählt Katja Petrowskaja in Vielleicht Esther, indem sie die Geschichten ihrer Familie über die Vertreibung durch Reisen an die Orte nacherleben will, welche die Stationen einer Familie im Migrationsstrudel des 20. Jahrhunderts darstellen.

Textgrundlage:
Shida Bazyar: Nachts ist es leise in Teheran. Köln: Kiepenheuer & Witsch.
Dörte Hansen: Altes Land. München: Penguin.
Katja Petrowskaja: Vielleicht Esther. Berlin: Suhrkamp.
Alle drei Romane liegen als Taschenbuch vor:

Der Dozent:
Dr. Tim Lörke, PostDoc an der Friedrich Schlegel Graduiertenschule der Freien Universität Berlin. Studium der Germanistik und Anglistik an den Universitäten Heidelberg und Warwick. 2002-2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Faust-Archiv Knittlingen. 2006-2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanistischen Seminar der Universität Heidleberg. 2009-2015 wissenschaftlicher Assistent und Lehrbeauftragter am Institut für deutsche und niederländische Philologie der Freien Universität Berlin.

Seminarzeiten:
1. Tag 19.30-21.00 (18.00: Abendessen)
2. und 4. Tag 09.30-10.30/11.00-12.00 und 16.00-18.00
3. Tag 09.30-10.30/11.00-12.00
5. Tag 10.00-12.00

Anmeldung bei:
Strandhotel Löchnerhaus
An der Schiffslände 12
78479 Insel Reichenau
Tel.: 07534 – 8030
info@loechnerhaus.de
www.loechnerhaus.de

Kursgebühr:
€ 180

Organisation:
Annegret Wolfram

Strandhotel Löchnerhaus