D.H. Lawrence
Samstag, 27. September – Mittwoch, 1. Oktober 2024
Vom Moralisten zum enfant terrible:
Ausgewählte Romane und Gedichte von D.H. Lawrence
Prof. Dr. Norbert Lennartz, Vechta
Der 1885 bei Nottingham geborene und 1930 an der Schwindsucht verstorbene Autor des sogenannten Modernismus (ca. 1900-1940) wird in seiner literaturgeschichtlichen Bedeutung heute zumeist überschattet von Virginia Woolf und James Joyce. Nutzten letztere Autoren konsequent neuere Techniken der Wirklichkeitsdarstellung (wie z.B. den inneren Monolog oder den Bewusstseinsstrom), so galt Lawrence nicht nur als rückständig und veranlasste letztlich Joyce zu dem in französischer Sprache geäußerten Verdikt „Cet homme écrit vraiment très mal“ („dieser Mann schreibt wirklich sehr schlecht“); ihm haftete überdies das Etikett des Pornographen und Libertins an, das seine Werke, vor allem seinen letzten Roman Lady Chatterley’s Lover (1928), bis in die 1960er auf Verbots- und Zensurlisten brachte.
So nomadisch und erratisch sein kurzes Leben war (zwischen Italien, Frankeich, Mexiko, den USA und Großbritannien fortwährend oszillierend), so volatil und kontradiktorisch war auch sein Denken und Schaffen: so sah er auf der einen Seite die Hegemonie des Mannes durch das Aufkommen der New Women (bzw. der „cock-sure women“) bedroht (eine Tatsache, die ihn bis heute zum enfant terrible der Gender Studies macht), auf der anderen Seite zeugen seine Romane von Sons and Lovers (1915) über Women in Love (1920) bis eben zu seinem letzten Roman von einer besonderen introspektiven Sympathie für die Begierden und Sehnsüchte von Frauen, die auch in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts unter dem Kuratel viktorianisch geprägter Rollenvorschriften standen.
Anders als Joyce, der mit Leopold Bloom eine schockierende Verkörperung der von Krafft-Ebing kompilierten Psychopathia sexualis darstellt, zeigt sich Lawrence gerne in der Rolle des Moralisten oder Therapeuten, der mit seinen Romanen moralische Thromben und Verklumpungen in den Blutbahnen unserer morbiden Organismen aufzulösen und mit einer Neubewertung der (vor allem weiblichen) Sexualität das Odium der viktorianischen Körperfeindlichkeit zu überwinden hofft. In Sons and Lovers (einem naturalistischen Roman mit Reminiszenzen an die Werke Emile Zolas) ist Paul Morels Kampf gegen das viktorianische Diktat noch zum Scheitern verurteilt, in Lady Chatterley’s Lover erscheint hingegen in der Figur des Wildhüters Oliver Mellors eine geradezu messianische Erlösergestalt, die in ihrer zur Schau gestellten körperlichen Gesundheit nicht nur das durch den kriegsversehrten Sir Clifford personifizierte pathogene Fin de Siècle ablöst, sondern auch Lawrences spätes Schaffen in einem eigentümlichen Bezugsgeflecht von Jugendstil einerseits und einem von Nietzsche, Wagner, Steiner, Strindberg, Meister Fidus u.a. gespeisten und faschistoid gefärbten Heldentum andererseits verortet.
Im Rahmen des Seminars werden wir Lawrence als Romancier, Essayist, Dichter und Maler kennenlernen und durch Querbezüge zu anderen Autoren (wie z.B. Rupert Brooke, Joyce) und Künstlern (z.B. Meister Fidus, Klimt, Hacker) als einen der Suggestivkraft betörender Ideen ausgesetzten Weltliterat vorstellen.
Textgrundlage:
Söhne und Liebhaber (Reclam TB)
Lady Chatterleys Liebhaber (dtv oder Diogenes)
Eine Auswahl von Gedichten und Essays wird in einem Reader bereitgestellt.
Der Dozent:
Prof. Dr. Norbert Lennartz (geb. 1963) ist seit 2011 Professor für Anglistische Literaturwissenschaft an der Universität Vechta; von 2014-2016 war er Vizepräsident der Universität Vechta und 2022 Gastprofessor an der Universität Parma. 1992 von Königin Elizabeth II persönlich mit dem Queen’s Prize für herausragende akademische Leistungen geehrt, wurde er 1998 in Bonn promoviert mit einer Studie über das Absurde in der Literatur vor dem absurden Theater; 2003 schloss er in Bonn sein Habilitationsprojekt über die Darstellung des Körpers und der Erotik in der Literatur und Kunst des Barock ab.
Seine Forschungsschwerpunkte sind derzeit die Romantik, das Viktorianische Zeitalter (Dickens, Hardy, Wilde), das Fin de Siècle und der Modernismus (Joyce, D.H. Lawrence), zu denen er in namhaften internationalen Zeitschriften und Sammelbänden publiziert hat.
Seit 1994 ist er regelmäßig als Seminarleiter an Erwachsenenbildungseinrichtungen tätig.
Seminarzeiten:
1. Tag 19.30-21.00 (18.00: Abendessen)
2. und 4. Tag 09.30-10.30/11.00-12.00 und 16.00-18.00
3. Tag 09.30-10.30/11.00-12.00
5. Tag 09.30-10.30/11.00-12.00
Kursgebühr: 260,00 €
Anmeldung:
Hotel Graf Bentinck, Dauenser Straße 7, 26316 Varel-Dangast, Tel. 04451/139-0
info@bentinck.de, www.bentinck.de
Organisation:
Annegret Wolfram, www.literaturferien.de
Hotel Graf Bentinck
Dauenser Straße 7
26316 Varel-Dangast
Tel. 04 451/139-0
info@bentinck.de
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